Erfreulicher Paukenschlag für Millionen Bankkunden. Darlehensverträge müssen klare und für Verbraucher verständliche Hinweise auf den Beginn von Widerspruchsfristen enthalten. Dies hat der Europäische Gerichtshof am 26.03.2020 zu einem Fall aus Deutschland klargestellt (Rechtssache C-66/19). Da dies bei einem Großteil der Darlehensverträge in Deutschland nicht der Fall ist, hat das Urteil für Kreditnehmer weitreichende Folgen.
Hintergrund ist ein Rechtsstreit der Kreissparkasse Saarlouis mit einem Kunden. Entschieden wird er vor dem Landgericht Saarbrücken. Die Klausel, um die es geht, findet sich in der Widerrufsinformation der Verträge in zahlreichen Darlehensverträgen aus den Jahren 2010 bis 2016 wieder. Dort wird für den Beginn der Widerrufsfrist auf § 492 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verwiesen, die ihrerseits auf eine weitere Vorschrift im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) Bezug nimmt. In dieser finden sich dann wiederum Verweise auf andere zivilrechtliche Regelungen. Eine regelrechte „Schnitzeljagd“ – Juristen nennen diese Technik einen „Kaskadenverweis“.
Klausel widerspricht europäischem Verbraucherrecht: Der EuGH hat daher festgestellt, dass die betreffende Klausel nicht dem Erfordernis genügt, Verbraucher in klarer und prägnanter Form über die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. Verbraucher können in diesem Fall weder den Umfang ihrer vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen, ob der abgeschlossene Vertrag alle erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist zu laufen begonnen hat. Verbraucher haben im Falle einer fehlerhaften Widerrufsinformationen grundsätzlich auch noch Jahre nach dem Vertragsschluss die Möglichkeit, sich von einem teuren Kredit zu lösen, urteilten die höchsten EU-Richter.
Mit diesem sogenannten "Widerrufsjoker" ist etwa bei Autokredit- und Leasingverträgen die Rückgabe des Fahrzeugs gegen Erstattung aller bereits gezahlten Raten möglich. Interessant könnte das bei Fahrzeugen sein, die vom Dieselskandal betroffen sind. Während sich jedoch bei Autokrediten die vom EuGH beanstandete Klausel noch heute in den Kreditverträgen findet, ist es bei Immobiliendarlehen komplizierter. Dort sind wohl nur Verträge betroffen, die zwischen Juni 2010 und März 2016 abgeschlossen wurden. Danach wurde in den Kreditverträgen eine andere Formulierung verwendet.
Mit dieser Entscheidung stellt sich der EuGH ausdrücklich in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Denn dieser hatte noch in seinem Urteil vom 22.11.2016 (XI ZR 434/15) entschieden, dass diese Form der Widerrufsinformation verbraucherrechtskonform sei.
Lösen Sie sich von einem teuren Kredit! Dennoch sind durch die Entscheidung des EuGH die rechtlichen Aussichten für Verbraucher, sich per Widerruf von einem teuren Kredit, etwa zur Finanzierung eines PKW oder einer Immobilie, zu lösen, erheblich gestiegen. Auch, wenn sich einzelne Banken wohl weiter auf die Rechtsprechung des BGH berufen werden, dürften sich gerade die Chancen einer außergerichtlichen Einigung mit den betroffenen Banken, zum Beispiel auf eine Reduzierung des Zinssatzes oder einen Verzicht auf eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung im Falle der Rückführung des Darlehens, wesentlich erhöht haben.