(1.) Vor- und Nacherbe sind wirkliche Erben, also z. B. Eigentümer des Nachlassgrundstücks. Es gibt also einen Erbfall mit zwei nacheinander folgenden Erben. Dabei soll der Vorerbe die Nutzungen des Nachlasses bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, dem Nacherbfall, ziehen; anschließend folgt ihm der Nacherbe, der keinerlei Beschränkungen unterworfen ist.

Der Sinn von Vor- und Nacherbschaft liegt darin, eine gewisse Bindung des Vermögens, vor allem an die Familie, zu erreichen – beschränkt vergleichbar dem früheren Fideikommiss. (2.) Durch Verfügung von Todeswegen kann der Erblasser Vor- und Nacherbschaft anordnen. Daneben sieht das Gesetz auch unter bestimmten Voraussetzungen eine Vor- und Nacherbschaft vor (sog. konstruktive Nacherbfolge): wenn eine noch nicht gezeugte Person als Erbe eingesetzt ist (§ 2101 Abs. 1 BGB); wenn der Erbe unter einer auflösenden Bedingung oder Zeitbestimmung eingesetzt ist (§ 2104 BGB); wenn der Erbe unter einer aufschiebenden Bedingung oder Zeitbestimmung eingesetzt ist (§ 2105 BGB).

 

(3.) Mit dem Erbfall erwirbt der Vorerbe die Erbschaft. Der Nacherbe erwirbt zugleich ein vererbliches und übertragbares Anwartschaftsrecht (§ 2108 Abs. 2 BGB). Dieses Anwartschaftsrecht kann man gem. § 2371 ff. BGB verkaufen und gem. § 2033 BGB übertragen. Der Nacherbe erwirbt die Erbschaft zu einem vom Erblasser bestimmten Zeitpunkt (Nacherbfall); fehlt eine solche Bestimmung, so tritt der Nacherbfall mit dem Tode des Vorerben ein (§ 2106 BGB). Der Nachlass geht beim Nacherbfall ipso iure vom Vorerben auf den Nacherben über. Der Nacherbe Nacherbe muss nicht mit den Erben des Vorerben identisch sein, wenn der Nacherbfall der Tod des Vorerben ist; es handelt sich um zwei unterschiedliche Nachlässe, den des Erblassers und den des Vorerben als weiteren, zweiten Erblasser.

 

(4.) Die zeitliche Bindung von Vor- und Nacherbschaft wird vom BGB grundsätzlich auf 30 Jahre begrenzt (§ 2109 Abs. 1 BGB). Dies gilt auch dann, wenn einem Vorerben mehrere Nacherben nacheinander folgen. Ausnahmsweise aber bleibt die Einsetzung des Nacherben auch nach Ablauf von 30 Jahren wirksam, wenn die Nacherbfolge für den Fall angeordnet ist, dass in der Person des Vorerben oder des Nacherben ein bestimmtes Ereignis eintritt und derjenige, in dessen Person des Ereignis eintreten soll, zur Zeit des Erbfalles schon lebt. Beispiel: Der Erblasser setzt seine Kinder zur Mit-Vorerben und seine Enkel zu Mit-Nacherben ein. Überleben die Kinder den Erblasser um 55 Jahre, so rücken erst dann die Nacherben ein.

 

(5.) Der Vorerbe ist Erbe und hat grundsätzlich das alleinige Verfügungsrecht über die Erbschaftsgegenstände (§ 2112 BGB). Dieses Verfügungsrecht bezieht sich nicht nur auf den Nachlass, sondern auch auf dessen Surrogate (§ 2111 BGB). Aber der Vorerbe unterliegt gewissen Verfügungsbeschränkungen. So will das Gesetz ein wenig sicher stellen, dass der Vorerbe nur die Nutzungen zieht und nicht den Nachlass unter der Hand verschwinden lässt. Bei Grundstücken und Grundstücksrechten ist die Verfügung im Falle des Eintritts der Nacherbfolge soweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereitel oder beeinträchtigt (§ 2113 Abs. 1 BGB). Der im Grundbuch einzutragende sog. Nacherbenvermerk (§ 51 GBO) stellt dies sicher. Verfügungen über Grundstücke und Grundstücksrechte sind also nur mit Zustimmung des Nacherben analog § 185 Abs. 2 BGB von vornherein wirksam.

 

Unentgeltliche Verfügungen über Nachlassgegenstände sind gem. § 2113 Abs. 2 BGB im Falle des Eintritts der Nacherbfolge unwirksam. Gutgläubige Erwerber werden auch hier gem. §§ 2113 Abs. 3, 932 ff., 1207 BGB geschützt, müssen aber das Erlangte nach Eintritt des Nacherbfalles gem. §§ 2113, 816 Abs. 1 S. 2 BGB an die Nacherben herausgeben. Der Wegfall der Bereichung bleibt zu beachten. Der gute Glaube bezieht sich hier auf die Nicht-Zugehörigkeit des Gegenstandes zur Vorerbschaft.

 

(6.) Der Nacherbe hat – neben dem Nacherbenvermerk - Sicherungsmöglichkeiten. Er kann die Hinterlegung von Wertpapieren (§ 2116 BGB), die Eintragung von Sperrvermerken (§ 2118 BGB) und die Anlegung von Geld als Mündelgeld (§ 2119 BGB) verlangen, was in der Praxis aus Pietät und Takt meistens nicht geschieht – mit der Folge, dass oftmals beim Nacherbfall nichts mehr da ist.

 

(7.) Zwangsvollstreckungen der Nachlassgläubiger gegen den Vorerben in den Nachlaß sind voll wirksam. Zwangsvollstreckungen der Eigengläubiger des Vorerben in Nachlaßgegenstände sind wirksam, aber der Nacherbe kann gem. §§ 2115 BGB, 773, 771 ZPO jeweils Widerspruch einlegen und dadurch zwar nicht die Pfändung der Gegenstände, wohl aber die Verwertung hindern.

 

(8.) Der Sicherung des Nacherben dient auch das Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände, das der Nacherbe vom Vorerben verlangen kann (§ 2121 BGB); ebenso das Verlangen nach Fest-stellung des Zustandes der Erbschaft (§ 2122 BGB).[EVÖ171109]