Im Jahr 2019 sind in Deutschland etwa 45.000 Dieselklagen bei Gericht eingereicht worden. Nach Ansicht des OLG München sollen diese nicht mehr durchsetzbar sein. Das OLG will damit offensichtlich die Klageflut, die in der Vergangenheit über die Gerichte hereingebrochen ist, eindämmen und Dieselklägern künftig die Lust am Klagen nehmen. In einem Hinweisbeschluss vom 03.12.2019 bedient sich das Gericht einer recht lausigen Argumentation:
Nach dem Gesetz ist der individuelle Verjährungsbeginn vom Zeitpunkt der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Anspruchstellers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners abhängig, gem. § 199 Abs. 1 BGB. Dieser Zeitpunkt, behauptet das Oberlandesgericht München, sei der September 2015 gewesen, weil in sämtlichen Medien über den Dieselskandal berichtet worden sei. Folglich habe die Verjährungsfrist Ende des Jahres 2015 begonnen und sei dann Ende 2018 abgelaufen.
Das Oberlandesgericht übersieht großzügig, dass die Fahrzeugbesitzer erstmals 2016 ein Rückrufschreiben erhalten haben und dann gewusst haben, dass ihr Fahrzeug überhaupt betroffen ist. Der Ansatz des 20. Senats des Oberlandesgerichts München ist beschämend und riecht fast nach Rechtsbeugung. Es ist grundsätzlich Sache desjenigen, der sich auf Verjährung beruft, den Verjährungsbeginn nachzuweisen. Die Richter springen voreilig dem Volkswagen-Konzern bei. Die Richter wissen auch, dass hiervon eine Großzahl Verfahren betroffen sind und möglicherweise künftig in Bayern die Berufungsinstanz scheuen.
Der Rechtsstaat erodiert. In diesem Verfahren sollte ein Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat gestellt werden und notfalls später Revision eingelegt werden.
Die Richter haben allerdings nicht berücksichtigt, dass es auf die primäre Verjährung wohl gar nicht ankommt, weil sich zwischenzeitlich herausgestellt hat, dass das bei den Fahrzeugen aufgespielte Software-Update erneut Manipulationen enthält und darüber hinaus zu Verschlechterungen der Fahrleistung und zu Fahrzeug-Mängeln geführt hat. Wenn man dem aktuellen Bericht im Handelsblatt vom 12.12.2019 nur ansatzweise Glauben schenkt, hat sich Volkswagen wegen eines Folgebetruges erneut schadensersatzpflichtig und auch strafbar gemacht.
Volkswagen hat anscheinend nicht nur einmal betrogen. Es sieht so aus, dass alles schlimmer ist, wie angenommen. Und in der Situation versagen Staat und Gerichte reihenweise.