Es scheint so. Noch am 1. Juli war ich mit meinem Leitartikel davon ausgegangen, dass der Anwalt Christian Schertz einfach nur zu spät kommt und nichts mehr retten kann, weil die Fehler schon mal passiert sind, nämlich vor Drucklegung und Vorveröffentlichung. Doch er konnte aber noch etwas bewegen! Er hat gleich zu Beginn der Affäre einen Schnellschuss gewagt und erklärt: „Ich kann nicht im Ansatz eine Urheberrechtsverletzung erkennen…“

 

Die Grünen beziehungsweise das Wahlkampfteam haben sich diese Äußerungen gleich zu eigen gemacht und Annalena Baerbock geraten, dass sie dies so in der Öffentlichkeit platzieren solle. Jetzt kristallisiert sich heraus, dass diese vorschnelle Äußerung nicht haltbar ist. Supergau!

 

Dabei hat der Rechtsanwalt Schertz gegen eine ganz banale alte Verteidigerregel verstoßen. „Äußere dich nie, wenn du den Akteninhalt nicht kennst.“ Im besonderen Fall gilt: Ersetze das Wort „Akteninhalt“ durch das Wort „Buchinhalt“. Die Grünen sind mit dem vermeintlichen Befreiungsschlag von Herrn Rechtsanwalt Schertz maximal unglücklich aufgelaufen. Das einzig Richtige wäre von Anfang an gewesen, Fehler einzuräumen, anstatt sich zu rechtfertigen und von Verschwörung zu reden. Einfach "los-trump-en"hat auch in den USA am Ende auch nicht funktioniert. Rechtsanwalt Schertz dürfte sich hierbei selbst auch erheblich geschadet haben, insbesondere als er inhaltlich von seinem Ziehvater, dem früheren Rechtsanwalt Professor Hertin korrigiert wurde und jetzt auch noch von einem ehemaligen Mitarbeiter Felix Zimmermann, der zwischenzeitlich als Jurist und Journalist bei ZDF tätig ist.

 

 

Die Verteidigungstaktik ist nicht nur missglückt, sie hat aus dem Kandidatenbuch auf immer und ewig ein „Suchbuch“ für gestohlene Passagen gemacht. Pikant ist dabei, dass die Passagen nicht einfach übernommen wurden, sondern oftmals leicht umformuliert wurden. Wozu? Das es keiner merkt? So fällt es erstrecht auf. Annalena Baerbock wird sich auch kaum verteidigen können, „was sie sich dabei gedacht hat“, weil sie den Großteil des Buches wohl gar nicht selbst geschrieben hat. Baerbock muss jetzt ausbaden, was ihr Team verbockt hat.

 

Wahrscheinlich wird sich von dem Buch keine Passage in dem Buch Baerbock finden. Es war aber quasi die Anleitung zum Scheitern, nämlich Laurence J. Peter, schlimmer geht’s immer: Das Peter-Prinzip.

 

Der Fehler führt zwischenzeitlich soweit, dass die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock so schwer beschädigt ist, das Stimmen laut werden, sie möge die Kandidatur an Wolfgang Habeck abgeben. Die trz-Autorin Silke Mertins wertet das Verhalten der Grünen Parteichefin so: „Wieder einmal wollte die Kanzlerkandidatin größer erscheinen, als sie ist. Und dieses Mal fehlt ihr sogar die Einsicht, erneut Fehler gemacht zu haben.“

 

Das schlimme war aber im Ergebnis, dass Baerbock diesmal ihre Fehler verteidigt hat. Die Vorlage zu diesem Kardinalfehler gab RA Schertz. Der Focus fasst in seiner Presseschau zusammen und zitiert die Stuttgarter Nachrichten: „Es ist nicht klug von Baerbock, sich als Opfer zu präsentieren“. Die Nürnberger Zeitung stellt nüchtern fest: „Es geht hier nicht um Mann oder Frau, sondern um Ehrlichkeit“. … schaut aber nicht nur auf die anderen Medien, sondern stellt auch fest: Bei den Grünen intern wächst der Ärger über Baerbock.

 

Als nächstes kommen noch vernichtende Umfragewerte. Dann war´s das. Annalena Baerbock kann einem leidtun, weil sie schlicht naiv war und einen dilettantischen Beraterstab um sich herum hat.