Als Robert Habeck die schützende Hand über Patrick Graichen zurückzog, war es der angebliche eine Fehler zu viel. Allmählich zeigt sich der Öffentlichkeit, dass er schon seit langem eine Zeitbombe war, die er womöglich selbst geschärft hat.

 

Den Trauzeugen in einen Staatsposten zu berufen, geht nicht, das Unternehmen, dem die Schwester vorsteht, mit einer halbmillionenschweren Unterstützung zu helfen, geht nicht. Bei der eigenen Doktorarbeit geschummelt zu haben, geht nicht.

 

Graichen war eigentlich schon disqualifiziert, bevor seine berufliche Laufbahn so richtig anfing. Bemerkt hat das anfangs keiner. Irgendwann wird das aber doch auffallen.

 

Viele Radrennfahrer wären lieber vorher „aufgeflogen“, als auf ihrem Höhepunkt der Laufbahn oder kurz danach. Vermutlich schon deshalb, weil die Fallhöhe größer ist.

 

Aber auch moralisch bleibt, dass alles was erreicht wurde, unecht und faul war.

 

Bei Patrick Graichen darf es aber nicht nur ein moralischer Absturz sein, solche Fälle müssen konkret sanktioniert werden und es geht anhand der Rechtsreglung, die wir haben, ohne weiteres. Sie müssen eben nur angewandt werden.

 

Das Stichwort ist: Schadensersatz.

 

Nach den derzeitigen Messeberichten fing die Unehrlichkeit bei Patrick Graichen schon an, als er sich um die jeweils anzutretenden Posten selbst beworben hat. Dort hat er selbst betrogen. Jetzt ist es noch nicht bewiesen, seine Doktorarbeit „kommunale Energiepolitik und die Umweltbewegung“ soll an mindestens 30 Stellen Plagiate enthalten. Der Plagiats-Experte benennt es noch Plagiatsfragmente und er hält die Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis für evident und Täuschungsabsicht für naheliegend. Noch ist nichts bewiesen. Die Universität Heidelberg prüft. Aber schon der Umstand, dass das jetzt auch noch Thema wird, macht den Macher zum Knilch. Bewahrheitet sich der Anfangsverdacht, hat sich Graichen ins Ministerium und in Posten geschlichen, wo er sonst „an der Tür“ wohl gescheitert wäre. Was kann man machen, wenn der „Türsteher“ versagt? Bei Doktorarbeiten ist es oftmals so, dass diese erst dann überprüft werden und Plagiate hochkochen, wenn eine Person in der öffentlichen Kritik steht.

 

Wenn jemand seinem Trauzeugen aufs Pferd hilft, dann weiß das Ross oft nicht, wen es da auf dem Rücken trägt, der Reiter weiß Bescheid und der Steigbügelhalter Graichen.

 

Die Organisation „LobbyControl“ möchte aus diesem Grunde eine Transparenzbehörde einrichten, um Interessenkonflikten in Bundesministerien vorzubeugen. In einem Eckpunktepapier wird zu Recht festgestellt, dass die gegenwärtigen Mechanismen nicht ausreichen. Richtig, sonst wäre Familie Graichen erst gar nicht soweit gekommen. Der Ansatz von LobbyControl ist, dass Entscheidungsträger beim Antritt ihres Dienstes denkbare Interessenkonflikte einem Gremium melden sollen, ähnlich wie in Frankreich: Dort gibt es eine Hohe Behörde für die Transparenz des öffentlichen Lebens. Führungsmitglieder sollten aktiv zu möglichen privaten Interessen befragt werden und persönliche Verbindungen zu Kandidaten offenlegen müssen.

 

Der Jurist fragt sich, ob nicht ganz einfach so zu verfahren ist, wie bei Richtern. Die müssen einen Fall ablehnen oder zur Disposition des Richterkollegiums stellen, wenn es Sachverhalte gibt, die Befangenheit oder Selbstbetroffenheit zum Inhalt haben könnten. Besteht die Besorgnis der Befangenheit, darf der Richter im besonderen Fall nicht entscheiden.

 

Diese Pflicht sollte auf alle Leistungsträger (Warum nicht auch in der Privatwirtschaft?) übertragen werden. Effizient wird so etwas, wenn man die Nichtanzeige oder das Verschweigen mindestens ab dem Zeitpunkt der nachträglich festgestellten Mitteilungspflicht sanktioniert.

 

1.

Das wäre einmal der Schaden, der durch die rechtzeitige Nichtanzeige zwischenzeitlich eingetreten ist.

 

2.

Erworbene Positionen und Vergütungen (insbesondere für die Zukunft) werden verwirkt, wenn man gegen zwingende Lautbarkeitsregeln verstößt. Je länger man schweigt, umso schlimmer wird es, bis hin zur Entlassung und Streichung von Vergütungen, teilweise auch rückwirkend.

 

Wer etwas weiß und nicht offenlegt, hat die Position nicht verdient, die er begleitet und müsste von sich aus gehen. Man muss sich zwar nicht wie im alten Rom die Pulsadern aufschneiden, aber bluten darf es schon.

 

3.

Wer mit einer gefakten Doktorarbeit eine Stelle oder eine Position erreicht, bei der der Doktortitel von irgendeiner Bedeutung ist, sollte nachträglich so gestellt werden, als hätte er den Doktortitel nicht gehabt. Dies wird sich auf ein Gehalt immer mit einigen Hundert- oder Tausend-Euro auswirken. Die wären dann schlicht zurückzuzahlen. Als Verjährung gilt nicht die dreijährige Verjährungsfrist, sondern rückwirkend die Frist ab Kenntnis von dem Betrug für alle ehemaligen Posten. Noch schlimmer wird’s, wenn man den Doktor mehrere Stellen „durchgeschleust“ hat. Dann ist es so oder so gewerblicher Betrug.

 

Warum hier nicht durchgegriffen wird, ist nicht nachvollziehbar. Mit Dopingsündern geht man auch nicht anders um.