Bürgerinnen und Bürger werden zukünftig vor zu langsam arbeitenden Gerichten und Staatsanwaltschaften geschützt. Ein Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sieht erstmals die Möglichkeit vor, in derartigen Fällen eine sogenannte "Verzögerungsrüge" zu erheben und gegebenenfalls Entschädigung zu verlangen. Die vorgestellte Neuregelung sichert den Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz in angemessener Zeit, der sowohl vom Grundgesetz als auch von der europäischen Menschenrechtskonvention garantiert wird.
Gerichtsverfahren in Deutschland werden in den meisten Fällen zügig erledigt. Prozesse von unangemessener Dauer sind daher die Ausnahme, aber sie kommen vor. Damit Bürgerinnen und Bürger in diesen Fällen besser geschützt sind, soll ein Entschädigungsanspruch gegen den Staat geschaffen werden. Bislang gibt es dafür im deutschen Recht keine eigene Rechtschutzmöglichkeit.Bevor die Entschädigung geltend gemacht wird, muss der Betroffene die Verzögerung zunächst gegenüber dem Gericht rügen. Diese "Vorwarnung" bietet den zuständigen Richtern Gelegenheit, bei berechtigter Kritik Abhilfe zu schaffen und schnell Maßnahmen zur Verfahrensförderung zu treffen.Für jeden vollen Monat der Verzögerung sieht das Gesetz eine Entschädigung von in der Regel 100 Euro vor.Die Ansprüche bestehen unabhängig von einer etwaigen Überlastung der Gerichte oder einer angespannten Personalsituation. Besonders säumige Gerichte können zudem im elektronischen Bundesanzeiger aufgeführt werden.Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat den Gesetzentwurf "über den Rechtschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren" den Bundesländern und Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet.Zahlen und Fakten zur Dauer der gerichtlichen Verfahren in den unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten:ZivilgerichteBei den Zivilgerichten dauern Verfahren in der Eingangsinstanz (bundes)durchschnittlich zwar nur 4,5 Monate (Amtsgerichte) bzw. 8,1 Monate (Landgerichte). Die durchschnittliche Verfahrensdauer in den Ländern zeigt aber deutliche Abweichungen sowohl nach oben als auch nach unten. Bei den Amtsgerichten liegt die Spannweite zwischen 3,7 und 5,5 Monaten, bei den Landgerichten zwischen 5,9 und 9,9 Monaten. 12,5 % der Prozesse vor den Landgerichten dauern im Übrigen mehr als 12 Monate und 6,3 % mehr als 24 Monate.
Verwaltungsgerichte
Erstinstanzliche Verfahren vor den Verwaltungsgerichten dauern im Bundesdurchschnitt 12,3 Monate. Diesem Bundesdurchschnitt stehen in den Ländern deutlich andere Zahlen gegenüber. Die kürzeste durchschnittliche Verfahrensdauer pro Land beträgt 5,1 Monate, die längste durchschnittliche Verfahrensdauer in einem Land 32,0 Monate. 8,2 % der Verfahren dauern im Übrigen mehr als 24 Monate, 6,8 % mehr als 36 Monate. Ähnliche Unterschiede zeigen sich bei der Verfahrensdauer vor den Oberverwaltungsgerichten als Eingangsinstanz. Hier beträgt die Durchschnittsdauer in Bezug auf das ganze Bundesgebiet 14,0 Monate. Der kürzeste Länderwert liegt demgegenüber bei 4,7 Monaten, der längste bei 41,7 Monaten. 11,2 % der erstinstanzlichen Verfahren vor den Oberverwaltungsgerichten dauern länger als 24 Monate, 6,8 % mehr als 36 Monate.
Finanzgerichte
Die Finanzgerichte brauchen durchschnittlich 18,0 Monate für ein erstinstanzliches Verfahren. Im Bundesland mit der kürzesten Dauer reichen dabei durchschnittlich 9,0 Monate, während die Bürgerinnen und Bürger im Bundesland mit der längsten Dauer mit durchschnittlich 26,1 Monaten rechnen müssen. 12,9 % der Verfahren dauern länger als 24 Monate, über 16,3 % länger als 36 Monate.
Gesetzgebungsverfahren
Bitte beachten Sie, dass es sich bei einem Referentenentwurf um einen Gesetzentwurf handelt, den die Bundesregierung noch nicht beschlossen hat.
Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums vom 08. April 2010