Zwischen Meinungsfreiheit und Loyalitätspflichten

Die allgemeinen Grenzen der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG gelten auch im Arbeitsverhältnis. So fallen beispielsweise Beleidigungen, Schmähkritiken oder unwahre Tatsachenbehauptungen bereits gar nicht in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit und sind daher stets unzulässig.

 

Im Arbeitsverhältnis gilt jedoch eine weitere Besonderheit: Das Recht auf freie Meinungsäußerung kann durch arbeitsvertragliche Nebenpflichten weiter eingeschränkt sein. Zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis, welches vom Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt ist. Ob eine kritische öffentliche Äußerung über den Arbeitgeber zulässig ist, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

In seiner Entscheidung vom 14.09.2023 (Az.: 4 Sa 269/22) hat das LAG Thüringen entschieden, dass Wer Missstände bei seinem Arbeitgeber öffentlich machen will, verpflichtet ist, die Tatsachen, die er öffentlich machen will, zunächst selbst einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, bevor er damit an die Öffentlichkeit geht. Zwar ist die Verbreitung unwahrer Tatsachen nie vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit erfasst, jedoch gelten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nochmals gesteigerte Prüfpflichten.

 

Neben dem Inhalt der Äußerung ist jedoch auch stets zu berücksichtigen wer welche Position der sich äußernde Arbeitnehmer inne hat und auf welcher Plattform die Kritik geäußert wird. So ist die Kritik eines „normalen“ Angestellten auf einem Bewertungsportal (z.B. Kununu) eher von der Meinungsfreiheit gedeckt, als die negativen Äußerungen eines Pressesprechers während eines Fernseh-Interviews: Es gehört quasi zur Berufsbeschreibung des Pressesprechers, das Unternehmen nach außen hin zu vertreten. Negative Äußerungen in der Öffentlichkeit wiegen daher besonders schwer.

 

Ob die Äußerung von Kritik am Arbeitgeber den Arbeitgeber zu einer Kündigung berechtigt, ist am konkreten Einzelfall zu beurteilen und bedarf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen. Die öffentliche negative Äußerung über den Arbeitnehmer stellt u.U. einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar, der grundsätzlich einer vorherigen Abmahnung bedarf. Eine solche Abmahnung ist jedoch entbehrlich, wenn die geäußerte Kritik geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu zerstören. In dem Fall ist dann sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung möglich.