Noch immer werden Ferkel in Deutschland ohne Betäubung kastriert. Erst 2020 soll damit Schluss sein. Die Tierrechtsorganisation PETA zieht nun vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das Besondere daran: Die Beschwerde erfolgt im Namen der männlichen Ferkel.

Erstmals in der deutschen Rechtsgeschichte treten Tiere selbst als Beschwerdeführer vor dem BVerfG auf. PETA will erreichen, dass auch Tiere – wie hier die Schweine – als Träger eigener Rechte anerkannt werden.

Jedes Jahr werden deutschlandweit etwa 20 Millionen männliche Ferkel wenige Tage nach der Geburt ohne Betäubung kastriert. Das soll verhindern, dass das Fleisch von Ebern einen strengen Geruch und Beigeschmack bekommt, an dem sich die Verbraucher stören könnten. Bei der Kastration wird den Ferkeln ohne Betäubung die Haut über den Hodensäcken aufgeschnitten. Anschließend werden die Hoden herausgedrückt und die Samenstränge durchtrennt oder einfach abgerissen.

Das Ende dieser tierschutzwidrigen Praxis war bereits 2013 mit einer Übergangsfrist bis Ende 2018 beschlossen worden. Dennoch wird die betäubungslose Kastration weiterhin standardmäßig durchgeführt. Am 29. November 2018 beschloss der Bundestag auf Initiative der Bundesregierung die Verlängerung der Übergangsfrist um weitere zwei Jahre.

Ab 2020 soll der sogenannte „Vierte Weg“ erlaubt sein, bei dem die Tierhalter selbst Ferkel mit dem Narkosegas Isofluran betäuben dürfen – und so die Kosten für einen tierärztlichen Eingriff sparen. Voraussetzung ist lediglich die Teilnahme an einem nur zwölfstündigen Lehrgang. Hierbei kann das veterinärmedizinisch erforderliche Wissen nicht vermittelt werden, sodass in den Ställen erhebliche Tierquälereien an der Tagesordnung sein werden – etwa, wenn eine zu geringe Menge des Narkosemittels verabreicht wird. Isofluran ist zudem in seiner Wirksamkeit umstritten.

Die Tierrechtsorganisation PETA hat nun im Namen der männlichen Ferkel eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, in welcher die Tiere ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit einfordern. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Gesetz, mit dem die betäubungslose Ferkelkastration um weitere zwei Jahre verlängert wurde. Laut PETA wird dadurch das Staatsziel Tierschutz verletzt.

Für die Tierrechtsorganisation ist es nicht die erste Klage dieser Art. Vor einem Gericht in den USA hatte PETA etwa versucht, einem Affen die Rechte an seinem „Selfie“ zu erstreiten.

Hintergrund

Grundsätzlich kann „jedermann“ Verfassungsbeschwerde erheben. Gemeint sich damit aber eigentlich nur natürliche oder juristische Personen. Wenn in Deutschland ein Gesetz nicht eingehalten wird, kann üblicherweise nur derjenige, der selbst von dem Gesetz begünstigt wird, Klage einreichen und sein Recht notfalls mit staatlichem Zwang durchsetzen lassen. Tiere werden überwiegend behandelt, als wären sie keine Rechtssubjekte und somit nicht klagefähig. Nur aus diesem Grund ist es möglich, dass die festgeschriebenen Gesetze zum Schutz der Tiere schon fast standardmäßig missachtet werden. So werden zum Beispiel weiterhin männliche Ferkel ohne Betäubung kastriert, obwohl es dem Tierschutzgesetz und dem Staatsziel Tierschutz widerspricht und es darüber hinaus sogar wirtschaftlichere Alternativen für die Landwirte gibt.

Das sogenannte Verbandsklagerecht ist theoretisch dazu gedacht, die Durchsetzung von Tierschutzbestimmungen zu verbessern, kann die bestehenden Defizite jedoch nicht auffangen. Es existiert bislang nur in sieben Bundesländern und die Klagemöglichkeiten erfassen bei weitem nicht alle Bereiche der Tiernutzung. Darüber hinaus hat sich bereits gezeigt, dass Gerichte die Verbandsklagen teilweise als „Klagen zweiter Klasse" behandeln und sogar verschleppen.