Der Bundesgerichtshof (BGH) entscheid in seinem Urteil vom 04.04.2024, dass einem Verbraucher der außerhalb der Geschäftsräume der Versicherungsagentur einen Versicherungsvertrag abschließt, kein Widerrufsrecht zusteht. Gem. § 312 g BGB steht dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen (also Verträgen die mittels Fernkommunikationsmitteln, z.B. Telefon) geschlossen werden und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ein Widerrufsrecht zu. Gem. § 312 Abs. 6 BGB sind Versicherungsverträge und Verträge über die Vermittlung von Versicherungen jedoch nicht von dem Widerrufsrecht erfasst.

Geklagt hatte eine Frau, die in ihrem eigenen Ladengeschäft ihren Versicherungsvertreter damit beauftragt hat, den Tarif ihrer privaten Krankenversicherung „günstiger zu gestalten“. Als Honorar für den Versicherungsvertreter wurden 80 % der Jahresersparnis zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart, i.E. also € 1.948. Die Frau zahlte diesen Betrag zunächst, widerrief dann aber den Vertrag und forderte das Geld klageweise zurück. Das AG Traunstein gab der Frau erstinstanzlich Recht, das LG Traunstein bestätigte in der zweiten Instanz die Entscheidung. Der BGH als Revisionsinstanz beurteilte die Rechtslage jedoch anders.

Das AG Traustein begründete seine Entscheidung damit, dass § 312 Abs. 6 BGB europarechtskonform dahingehend auszulegen sei, dass bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Versicherungsverträgen dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gem. § 312 g BGB zustehe.

Die EU erlässt verschiedene Rechtsnormen, u.a. in Form von Verordnungen und Richtlinien. Während Verordnungen in den Mitgliedstaaten direkt wie ein nationales Gesetz wirken, müssen Richtlinien erst in nationale Gesetze „umgewandelt“ werden. Wenn nun ein Gericht – wie das AG Traunstein im vorliegenden Fall - der Auffassung ist, diese „Umwandlung“ sei nicht umfänglich genug erfolgt, besteht u.U. die Möglichkeit, die nationalen Gesetze so auszulegen, dass sie mit der Richtlinie in Einklang stehen.

Der BGH erteilte dieser Auslegung des AG Traunstein nun eine klare Absage. Der BGH entschied, dass aufgrund der Richtlinien keine unionsrechtliche Verpflichtung besteht, für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Versicherungsverträge ein Widerrufsrecht vorzusehen. Wenn eine solche Verpflichtung nicht besteht, gibt es auch keinen Grund den   § 312 Abs. 6 BGB dahingehend auszulegen, dass ein solches Widerrufsrecht bestehe. Eine solche europarechtskonforme (und daher dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusprechende) Auslegung des § 312 Abs. 6 BGB wird in weiten Teilen der Rechtsprechung jedoch im Fall von Fernabsatzverträgen angenommen.