Das Bundesverfassungsgericht hat ein deutliches Zeichen gesetzt, dass es rechtmäßig sei, dass ein Mann, welcher zuvor seinen Arbeitskollegen mit Affenlauten verhöhnte, gekündigt wird. Wer einen dunkelhäutigen Kollegen mit Tierlauten ("Ugah, Ugah!") belegt und daher seinen Job verliert, kann sich dagegen nicht mit Verweis auf die eigene Meinungsfreiheit wehren. Wenn jemand nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert würde, sei die Menschenwürde angetastet.

Obschon grundsätzlich das Gericht in Fällen, in denen die Meinungsfreiheit und die bedrohende Beeinträchtigung der persönlichen Ehre einander gegenüberstehen, eine Abwägung vornehmen muss, kann diese in besonderen Ausnahmefällen entbehrlich sein. Sofern es sich um Formalbeleidigungen, Schmähkritik oder eben Äußerungen handelt, die die Menschenwürde antasten, tritt die Meinungsfreiheit jedenfalls stets zurück. Gerade bei Aussagen, die tief in die Menschenwürde eingreifen, handele es sich eben nicht mehr um Beleidigungen, sondern um Äußerungen, die fundamental herabwürdigend seien. Solche Aussagen sprechen den ihre menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit ab.

Aufgrund der klaren Positionierung des BVerfG könnte dies für die Zukunft bedeuten, dass die Meinungsfreiheit immer regelmäßiger hinter dem Persönlichkeitsschutz zurücktritt, dass also, sofern die Aussage einen rassistischen Erklärungswert beinhaltet, keine Abwägungen mehr stattfinden. Wohlmöglich handelt es sich bei dem ergangenen Urteil des BVerfG sogar um ein Präzidenzurteil. Mit dieser Entwicklung könnte sodann auch ein vermehrtes Anzeigeverhalten einhergehen.

[BerVerfG, Beschluss vom 02.11.2020, Az. 1 BvR 2727/19]

 

siehe Pressemitteilung 101/2020 vom 24.11.2020 im Wortlaut:

 

Beschluss vom 02. November 2020
1 BvR 2727/19

 

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen arbeitsgerichtliche Entscheidungen zu einer Kündigung wegen einer groben menschenverachtenden Äußerung nicht zur Entscheidung angenommen. Der Beschwerdeführer betitelte in einer kontrovers ablaufenden Betriebsratssitzung einen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah, Ugah!“. Die daraufhin ausgesprochene Kündigung erachteten die Arbeitsgerichte als wirksam. Dagegen berief sich der Beschwerdeführer auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Seine Verfassungsbeschwerde hatte jedoch keinen Erfolg. Insbesondere waren die Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, wonach die Äußerung eine menschenverachtende Diskriminierung darstellt, die sich nicht unter Berufung auf Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

 

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer war Betriebsratsmitglied. Im Rahmen einer Auseinandersetzung während einer Betriebsratssitzung über den Umgang mit einem EDV-System betitelte er seinen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah, Ugah!“, der ihn wiederum als „Stricher“ bezeichnete. Auch aufgrund dieses Vorfalls erhielt der Beschwerdeführer die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Die Gerichte für Arbeitssachen erachteten diese nach umfänglicher Beweisaufnahme auch aufgrund einer einschlägigen vorhergehenden Abmahnung, die aber nicht zu einer Änderung seines Verhaltens geführt hatte, als rechtmäßig.

Der Beschwerdeführer rügte mit seiner Verfassungsbeschwerde unter anderem, dass die Gerichte sein Recht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG verletzten, indem sie die Kündigung für rechtmäßig erachteten. Sie hätten seine Grundrechte gegenüber dem Kündigungsinteresse der Arbeitgeberin nicht abgewogen. Man dürfe ihm keine rassistische Einstellung vorwerfen.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Verfassungsbeschwerde ist mangels hinreichender Begründung unzulässig; sie wäre aber auch unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen der Arbeitsgerichte haben die Wertungen, die sich aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) sowie aus Art. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (Diskriminierungsverbot) ergeben, nicht verkannt. Sie verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG.

Die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die arbeitsgerichtliche Bestätigung der Kündigung ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Zutreffend wurde die konkrete Situation als maßgeblich angesehen, in der ein Mensch mit dunkler Hautfarbe direkt mit nachgeahmten Affenlauten adressiert wird. Der Schluss, dass aufgrund der Verbindung zu einem nach § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verpönten Merkmal keine nur derbe Beleidigung vorliege, sondern die Äußerung fundamental herabwürdigend sei, ist auch im Lichte von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, der sich gegen rassistische Diskriminierung wendet, nicht zu beanstanden.

 

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit erfordert im Normalfall eine Abwägung zwischen drohenden Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre und der Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit tritt aber jedenfalls zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Das haben die Gerichte hier in Anwendung des Kündigungsschutzrechts nicht verkannt. Sie stützen sich auf §§ 104, 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz und §§ 1, 7, 12 AGG, in denen die verfassungsrechtlichen Wertungen der Unantastbarkeit der Menschenwürde und des Diskriminierungsverbots ihren Niederschlag finden. Sie begründen ausführlich, dass und warum es sich um menschenverachtende Diskriminierung handelt. Danach wird die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird, und damit das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich normierte Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der „Rasse“ verletzt wird. Diese Wertung ist ebenso wie die im Rahmen der fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB geforderte Gesamtwürdigung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.