Dürfen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter kündigen, wenn sie beispielsweise die Oberweiten von Kolleginnen vergleichen?
Mit dieser Frage hatte sich kürzlich das Landesarbeitsgericht Köln zu beschäftigen (LAG Köln, Urteil vom 27.08.2020, Az. 8 Sa 135/20). Zum Sachverhalt: Ein Arbeitnehmer, der seit 29 Jahren bei dem Arbeitgeber beschäftigt ist, erschien zu einem Interview zur Mitarbeiterqualifizierung, das durch zwei Personalreferentinnen durchgeführt wurde. Zu Beginn jenes Gespräches drehte er beim Handschlag zur Begrüßung die Hände der beiden Frauen nach oben, sodass der Handrücken zu sehen war und starrte diese an und sagte daraufhin, dass er am Verhältnis vom Ring- zum Mittelfinger die hormonelle Präferenz erkennen könne. Daraufhin soll der Mitarbeiter weiterhin geäußert haben, dass die Brüste der einen Personalreferentin größer seien, als diejenigen der anderen. Außerdem führte er an, dass Frauen dazu neigten, den Rücken zu bücken, um die Brüste zu verstecken. Die Frauen gaben weiterhin an, dass der Arbeitnehmer wiederholt aufstand und sich in ihre Richtung bewegte und sich nur nach mehrmaligem Auffordern hinsetzte.
Das Landesarbeitsgericht Köln qualifizierte den Oberweiten-Vergleich als sexuelle Belästigung. Die Pflichtverletzung wiege laut LAG jedoch nicht so schwer, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden könne. Der Arbeitgeber müsse den Mitarbeiter daher zunächst abmahnen und die bisherigen Pflichtverletzungen des Mitarbeiters hinnehmen. Somit musste der Arbeitgeber den Arbeitnehmer weiter beschäftigen.
Zu Recht?
Die §§ 3, 12 AGG normieren ausdrücklich, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen. Eine sexuelle Belästigung ist beispielsweise dann eine Benachteiligung, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, Bemerkungen sexuellen Inhalts, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Genau so war es im vorliegenden Fall.
Der Mitarbeiter nahm gerade das Geschlecht der Damen zum Anlass, um sich erniedrigend zu äußern. Dass eine sexuelle Belästigung vorliegt, bestreitet das LAG Köln nicht. Jedoch ist es der Auffassung, dass die Kündigung unverhältnismäßig sei. Hier wird angeführt, dass der Mitarbeiter bereits seit 29 Jahren bei dem Arbeitgeber beschäftigt ist und dies beanstandungsfrei.
Dies ändert jedoch an dem Vorfall rein gar nichts. Nur weil jemand bis dato nicht auffällig geworden ist, rechtfertigt das die Tat nicht oder sagt irgendetwas über die Tat aus.
Auch kann hierdurch nicht auf einen Ausschluss der Wiederholungsgefahr geschlossen werden. Eine Wiederholungsgefahr ist auch nicht durch die Tatsache ausgeschlossen, dass es sich um den ersten Vorfall jener Art handelt. Wenn die Pflichtverletzung so stark wiegt, darf nicht im Sinne des Arbeitnehmers davon ausgegangen werden, dass er dies nicht erneut tun wird, sondern der Schutz der Frauen, die belästigt und erniedrigt wurden steht ganz klar im Vordergrund.
Der Arbeitnehmer nutzte die betriebsbezogene Situation gezielt aus, um gleich zwei Frauen sexuell zu belästigen und in ihrer Würde zu verletzen. Der Arbeitnehmer wollte die Macht, die sich aus der Situation, als einziger Mann mit zwei Frauen in einem Raum, denen er sich überlegen fühlte, ausnutzen. Es handelt sich um eine Pflichtverletzung, die so schwerwiegend war, dass eine Abmahnung gerade nicht mehr ausreicht. Es kann sowohl dem Arbeitgeber als auch den Frauen nicht zugemutet werden, dass der Arbeitnehmer weiterhin beschäftigt wird. So etwas kann und darf nicht- wie durch das LAG gefordert – hingenommen werden! Denn dann würde der Schutz vor Ungleichbehandlung und sexueller Belästigung letztlich hinter dem Kündigungsschutz des Arbeitnehmers zurücktreten und ins Leere laufen.
Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter also kündigen dürfen, wenn sie beispielsweise die Oberweiten von Kolleginnen vergleichen und Frauen bewusst und zielgerichtet erniedrigen.
[LAG Köln, Urteil vom 27.08.2020, Az. 8 Sa 135/20]