Das OLG Koblenz hat in einem neuen Urteil zum Dieselskandal entschieden, dass das Kraftfahrtbundesamt (KBA) nicht aufgrund einer fehlerhaften Genehmigung der im Dieselskandal gegenständlichen Motoren in die Haftung gezogen werden darf.
Die Klägerin hat im September 2013 einen VW Polo der Marke Volkswagen AG gebraucht gekauft. Dieses Fahrzeug hatte den Motor EA 189 eingebaut, der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen war. Nach dem der Dieselskandal aufgedeckt wurde, hat das Kraftfahrtbundesamt durch Beschluss zu der Entfernung der Abschalteinrichtung verpflichtet. Bei der Klägerin geschah dies durch ein entsprechendes Softwareupdate. Weiter schloss sie mit der Volkswagen AG einen Vergleich ab zur Abgeltung aller Ansprüche wegen des Einsatzes der unzulässigen Abschalteinrichtung und deren Entfernung in Höhe von € 4.650,00.
Die Klägerin beklagt in diesem Verfahren, dass durch die Installation des Software-Updates massive Nachteile in Form eines Mehrverbrauches von Kraftstoff und eines erhöhten Verschleißes drohen würden. Zudem bestehe die Möglichkeit, dass sie eventuellen Nachforderungen der Kfz-Steuer ausgesetzt sein könnte.
Aus diesen Gründen nimmt sie nun die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der Europäischen Union wegen fehlerhafter Umsetzung der Richtlinie 2007/46/EG in den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch. Zudem habe das Kraftfahrtbundesamt (KBA) für den betreffenden Fahrzeugtyp rechtswidrig eine Typengenehmigung erteilt.
Grundsätzlich hat der Einzelne die Möglichkeit, die Bundesrepublik Deutschland in Staatshaftungsanspruch zu nehmen. Dies geht jedoch nur dann, wenn der Gesetzgeber eine Richtlinie fehlerhaft umgesetzt hat und diese Richtlinie darüber hinaus auch Rechte für den Einzelnen begründet, auf welche er sich stützen kann.
Die Richtlinie 2007/46/EG fordert, dass bei Verstößen gegen die Richtlinie wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen folgen. Diese Richtlinie wurde in Deutschland umgesetzt durch die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV). Sie enthält einen Tatbestand für Ordnungswidrigkeiten bei entsprechenden Verstößen. Nach Ansicht des OLG ist diese Umsetzung ausreichend und von dem Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten gedeckt. Zusätzlich Argumentiert das OLG, dass bei einer Auslegung der Richtlinie dem Einzelnen gerade keine Rechte verliehen werden auf die er sich berufen kann. Es erkennt zwar an, dass in den Erwägungsgründen auch die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher geschützt werden soll. Die Normen der Richtlinie selber würden aber mehr auf eine Harmonisierung des Binnenmarktes abzielen, insbesondere in Bezug auf Verkehrssicherheit, den Gesundheits- und Umweltschutz und die rationelle Energienutzung.
Das OLG sieht zwar, dass einzelne Vorschriften der Richtlinie auch den Schutz der Gesundheit und die Sicherheit der VerbraucherInnen miteinbeziehen. Hieran knüpfe die Klägerin aber gerade nicht an. Es gehe ihr vielmehr darum, dass sie durch die angeblich unzureichende Umsetzung der Richtlinie einen Kaufvertrag abgeschlossen hat, den sie sonst nicht abgeschlossen hätte und durch den sie einen wirtschaftlichen Schaden erlitten haben will. Die Klägerin sehe sich mehr in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit und ihrem wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrecht verletzt. Dieses sei jedoch von der Richtlinie nicht geschützt, womit sich die Klägerin in diesem Wege auch nicht auf einen Staatshaftungsanspruch wegen fälschlicher Umsetzung des Unionsrechts berufen kann.
Gegen den Steuerschaden wendet das OLG zutreffend ein, dass bislang weder die für die Bemessung der Kraftfahrzeugsteuer maßgebliche Typengenehmigung für das Fahrzeug aufgehoben wurde, noch eine neue Typengenehmigung mit geänderten Emissionsangaben erteilt wurde und damit auch nicht zu rechnen ist. Die Steuernachforderungen seien nur eine denktheoretische Möglichkeit, die vor Gericht in dieser Art nicht geltend gemacht werden können. Nicht zuletzt, sei der behauptete Schaden auch durch die Abgeltungszahlung der Volkswagen-AG ausgeglichen worden ist.
Zuletzt ist anzumerken, dass das KBA keine Pflichten versäumt hat die eine Haftung auslösen könnten. Es ist zwar verpflichtet, die Angaben der Hersteller auf Vollständigkeit und Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu überprüfen. Eine Pflicht zur darüberhinausgehenden expliziten Suche nach Abschalteinrichtungen ist aber nicht ersichtlich.
Ein Amts- oder Staatshaftungsanspruch im Dieselskandal ist damit verneint worden. Es ist sich weiter gegen die Hersteller selbst zu richten.
Quellen:
[OLG Koblenz Urt. v. 27.5.2021 – 1 U 1685/20, BeckRS 2021, 21401]