Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof Rantos vom 02.06.2022 hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe einen Schadensersatzprozess ausgesetzt (Beschluss vom 27.07.2022 nach Hinweisbeschluss vom 04.07.2022 – 8 U 58/21). 

Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass die Berufung eine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.09.2007 sowie zur Auslegung der Verordnung Nr. 717/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.07.2007 aufwerfe, die dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bereits zur Vorabentscheidung vorliegt.

Dabei geht es um die Frage, ob dem Verbot, ein Kraftfahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszustatten und in den Verkehr zu bringen, Schutzgesetzcharakter im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB auch insoweit zukommt, als das Interesse des Fahrzeugerwerbers, keine ungewollte Verbindlichkeit einzugehen, geschützt sein soll. 

Der Senat hat dies bislang, dem Bundesgerichtshof folgend, verneint.

Der Generalanwalt hat nunmehr aber eine Auslegung der Richtlinie vorgeschlagen, wonach das Interesse eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, geschützt sei (Schlussanträge des Generalanwalts vom 02.06.2022, C-100/21, Celex-Nr. 62021CC0100). Eine solche Auslegung würde die bisherige rechtliche Einordnung des Schutzcharakters der Vorschriften in Frage stellen. Hierüber wird der EuGH in dem genannten Verfahren zu entscheiden haben. 

Mit Blick auf das im vorliegenden Berufungsverfahren gerügte Thermofenster will der Senat die Klärung dieser Rechtsfrage durch den EuGH abwarten und hat zu diesem Zweck das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO ausgesetzt. Zur Begründung hat er weiter ausgeführt, dass die europarechtliche Frage des Schutzzweckes des Typgenehmigungsrechts nach den Schlussanträgen des Generalanwalts ungeklärt sei und bis zu einer Entscheidung des EuGH nicht im Sinne der bisherigen BGH-Rechtsprechung beantwortet und als „acte clair“ behandelt werden könne. Vielmehr sei insbesondere aus Gründen der Gewähr effektiven Rechtsschutzes die Entscheidung des EuGH abzuwarten. Der Senat verweist insoweit auch auf die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 01.07.2022 (Pressemitteilung Nr. 104/2022 – VIa ZR 335/21 –, www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilugen/DE/2022/2022104.html?nn=10690868).

Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe ist für Berufungen in allen Diesel-Abgasverfahren aus den Landgerichtsbezirken Baden-Baden, Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim und Mosbach zuständig, die Fahrzeuge aus dem VW-Konzern betreffen, soweit sie nicht den Motor EA 189 eingebaut haben, sowie für Fahrzeuge des BMW-Konzerns. 

[PM OLG vom 03.08.2022]