In den jüngsten Entscheidungen zum sogenannten Wirecard-Skandal (Az.: 2-04 O 65/21, 2-O4 O 53L/20, 2-O4 O 56L/20,2-O4 O 563/20) hat das LG Frankfurt am Main Klägern, die als Aktionäre an der Wirecard-AG beteiligt waren, keinen Schadensersatzanspruch gegen die BaFin (Bundesanstalt für Finanzaufsicht) zugesprochen. Zur Begründung führt das Gericht § 4 Absatz 4 des FinDAG (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz) an, nach welchem die Aufgabenwahrnehmung der BaFin alleine im öffentlichen Interesse erfolgt. Ein drittschützender Charakter gegenüber den Aktionären wird der Norm nach der Ansicht der zuständigen Kammer nicht zugeschrieben.
Die Kläger machen der BaFin den Vorwurf, dass diese die Marktmanipulationen von Wirecard hätten verhindern und die Öffentlichkeit hätten informieren müssen. Die Behörde sei den Hinweisen auf unrechtmäßiges Verhalten von Wirecard nicht ausreichend nachgegangen. Das sei eine Amtspflichtverletzung welche zum Schadensersatz verpflichten kann. An dieser Stelle ist ganz klar festzustellen, dass die BaFin zu lang untätig blieb. Nach der Einschätzung des Gerichts ist dies nach § 4 Absatz 4 des FinDAG jedoch unerheblich, weil es der BaFin eine derartige Pflicht nicht in dem Umfang zuschreibt, dass sich die Kläger auf sie berufen können.
Es geht um das Merkmal des „öffentlichen Interesse“ in Absatz 4. Legt man diese Norm nach ihrem Schutzzweck aus, verfolgt sie in erster Linie das Ziel, Amtshaftungsansprüche von Aufsichtsunterworfenen oder Dritten gegenüber der Bundesanstalt auszuschließen. Durch das Merkmal „öffentlich“ wird verdeutlicht, dass die BaFin nicht zum Schutz von Individualinteressenten tätig wird. Insbesondere sollen die Kunden der beaufsichtigten Finanzdienstleister keinen Anspruch auf ein Tätigwerden der BaFin zur Beseitigung etwaiger Missstände haben (Schäfers in Versicherungsaufsichtsgesetz, 6. Aufl., Kaulbach/Bähr/Pohlmann § 4 FinDAG Rn. 16 ff.). Auch die Durchsetzung individueller Ansprüche gehöre nicht in den Aufgabenbereich der BaFin (Nomos-BR/Laars FinDAG/Reinhard Laars, 4. Aufl. 2017, FinDAG § 4 Rn. 1-6).
Wenn keine dieser Aufgaben in den Beriech der BaFin fällt, ist es fraglich, welche Aufgaben und Pflichten sie stattdessen gegenüber den Aktionären hat.
Nach eigenen Angaben ist das Hauptziel der BaFin ein funktionsfähiges, stabiles und integres deutsches Finanzsystem zu gewährleisten. Bankkunden, Versicherte und Anleger sollen dem Finanzsystem vertrauen können. Ihre Marktaufsicht soll zudem faire und transparente Verhältnisse an den Märkten gewährleisten und darüber hinaus die Gemeinschaft der Verbraucher schützen (https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/AufgabenGeschichte/aufgabengeschichte_node.html). In Sachen Wirecard ist dieses Ziel ganz eindeutig nicht erfüllt worden. Auch wenn sich aus dem Schutzzweck der Norm des § 4 Abs. 4 FinDAG kein Schutz der Aktionäre ergibt, so ergibt er sich doch mindestens aus den selbsterklärten Zielen der BaFin. Vertrauen in die Finanzsysteme kann nur hergestellt werden, wenn man davon ausgehen darf, dass die Daten aufgrund welchen die Investoren ihre Investments tätigen nicht verfälscht wurden.
Auch in einem Vorgängerverfahren zwischen einem Wirecard Aktionär und der BaFin hat das Gericht zugunsten der BaFin entschieden (Urt. v. 5. 11. 2021; Az.: 2-08 O 98/21). Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.