Die Verfahrenseinstellung gegen VW-Chef Diess ist contra legem und schadet dem Ansehen des Rechtsstaates
Es ist wohl der größte industrielle Betrug in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands. Durch Fehlverhalten der Führungsriege bei VW ist dem Konzern schon jetzt ein Milliardenschaden entstanden. Und jetzt das: die ermittelnde Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen eine Auflage ein, die allenfalls in Aktionären und Fahrzeugkäufern weh tut. Die 9 Millionen € zahlen nicht etwa die Beschuldigten, als vielmehr die Volkswagen-Aktionäre und die künftigen Autokäufer im Rahmen des Kaufpreises.
Die Frage, wer wann was in diesem Skandal musste, ist von essenzieller Bedeutung für die Aufarbeitung und Haftungszuordnung der Verantwortlichen. Und zwar nicht nur für die Pflichtmitteilungen an der Börse, sondern auch in den vielen tausenden Betrugsprozessen, wo den Käufern reihenweise dreckige Diesel verkauft wurden. 'Schwere der Schuld' dürfte hier nicht zu verneinen sein.
Die Einstellungsmöglichkeit nach § 153 a Strafprozessordnung (Zahlung einer Geldauflage) wurde entwickelt, um die Justiz von kleineren Straftaten zu entlasten. Nicht gedacht ist diese Regelung für gewerbsmäßigen millionenfachen Betrug. In keinem anderen Nachkriegsprozess ist – bereits gemessen an der Anzahl der Geschädigten – das Aufklärungsinteresse der Opfer, der Wirtschaft und des Rechtsstaates mehr gegeben als in dieser Sache.
Wie Volker Votsmeyer im Handelsblatt vom 21.05.2020 richtig festgestellt hat, schadet der Dielen im VW-Prozess dem Rechtsstaat. Dagegen erscheint die Kommentierung von Martin Murphy in der gleichen Zeitung vom 20.5.2020, dass die Empörung über das Verfahrensende 'fehl am Platze' sein wie ein neues Murphy's Law. Wenn angeblich die Belege noch nicht ausreichen, muss eben weiter ermittelt werden. Bequemlichkeit ist kein Einstellungsgrund. Zu bedenken ist auch, dass es hier um ein pflichtwidriges Unterlassen geht. Es ist hier nicht bekannt, wann diese Personen die betrügerischen Verkäufe der Fahrzeuge eingestellt und unterbunden haben. Es geht nicht darum, ob Diess und Pötsch den Dieselbetrug 'erfunden' haben, sondern um die Frage, warum sie den Betrug nicht sofort gestoppt haben. Das darf man von den Managern eines Weltkonzerns erwarten, insbesondere bei deren Gehältern.
Wahrscheinlich wird die Verfahrenseinstellung für die die Dealmaker auf beiden Seiten noch ein Nachspiel haben.
Berufungsverfahren um einen 19-jährigen Geschädigten, der als 5-jähriges Kind in eine Baugrube gestürzt ist
Das Landgericht München I hatte dem jungen Mann, der heute in einem Rollstuhl sitzt, eine halbe Million Euro und eine monatliche Schmerzensgeldrente von € 1.500,00 zugesprochen. Die verurteilte Baufirma, die zwischenzeitlich von einem Insolvenzverwalter vertreten wird, hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Der Grundstückseigentümer, der zwischenzeitlich verstorben ist, wird von einem „Nachfolger“ vertreten.
Schadenersatz wegen unberechtigter Kündigung eines Mietvertrags
Bei einer vorsätzlichen unwirksamen Kündigung des Vermieters hat die zu Unrecht gekündigte Mieterin Anspruch auf Ersatz des durch die Anmietung und Renovierung von Ersatzräumlichkeiten entstandenen Schadens.
Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landgericht (LG) Coburg. Die Mieterin betreibt mit zwei angestellten Mitarbeitern eine Kinderbetreuung. Hierzu hatte sie vom Vermieter im Jahr 2015 für insgesamt 10 Jahre Räume angemietet. Die notwendigen Renovierungsarbeiten führte die Mieterin in Eigenregie durch. Die investierten 15.000 EUR finanzierte sie durch ein Darlehen. Die Parteien hatten vereinbart, dass dieser Investitionsbetrag an die Mieterin über eine von 300 EUR auf 175 EUR reduzierte monatliche Miete zurückfließen soll. Im Jahr 2018 kündigte der Vermieter den Mietvertrag, weil er die Immobilie verkaufen wollte. Daraufhin mietete die Mieterin zu einem monatlichen Mietzins von 600 EUR Ersatzräumlichkeiten an. Diese mussten wiederum für mehr als 20.000 EUR renoviert werden. Weil die Kündigung des Vermieters unwirksam war, forderte die Mieterin Ersatz des ihr entstandenen Schadens, u. a. wegen des höheren Mietzinses und der in die neuen Räume investierten Renovierungskosten.
Der Vermieter meinte, die Mieterin habe die Unwirksamkeit der Kündigung erkennen und sich vor Anmietung der Ersatzräume auch rechtlich beraten lassen müssen. Ihr stehe deshalb kein Schadenersatzanspruch zu.
Das LG gab der Klage weitestgehend statt. Es verurteilte den Vermieter, Schadenersatz zu zahlen. Er habe durch die unwirksame Kündigung seine Pflichten als Vermieter gegenüber der Mieterin verletzt.
Strafverfahren gegen VW-Chef Diess und Aufsichtsratsvorsitzenden Pötsch gegen Zahlung von 9 Millionen Euro eingestellt - was bedeutet das?
Die Entscheidung der Justiz, das Verfahren gegen Diess und Pötsch gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen, wird ein strafrechtliches Nachspiel haben. Angemessen wäre es, wenn beide Beschuldigten die Geldauflage aus eigener Tasche zahlen, so wie Otto Normalverbraucher. Tatsächlich zahlt aber der VW-Konzern die Millionen. Damit aber zahlen die VW-Aktionäre die Zeche. Zu den Aktionären gehört auch das Land Niedersachsen, also der oberste Dienstherr der Staatsanwaltschaft Niedersachsen. Widerliches Detail: Diese Zahlung führt dazu, dass VW weniger Steuern zahlen muss. Somit zahlt letztlich auch jeder VW-Besitzer die Strafe mit. Die Aufbereitung des Dieselskandals gerät durch staatliche Hilfe so immer mehr zur Farce.
Es wird eng für Porsche
Am 8. Juli 2020 sollen die Porsche-Vorstände Oliver Blume und sein Vorgänger (zugleich ehemaliger VW-Chef) Matthias Müller vor dem Oberlandesgericht Stuttgart angehört werden. Es geht darum, wer von Abgasmanipulationen beim Porsche Macan was wusste. In dem Fahrzeug steckt ein Audi-Motor. Wir führen derzeit ein Parallelverfahren vor dem Landgericht Freiburg. Dort behauptet Porsche, dass man sich auf die Aussage von Audi, dass der Motor "manipulationsfrei" sei, verlassen habe. Diese Einlassung erscheint wenig glaubwürdig. Zwischenzeitlich verdichten sich zudem noch Hinweise, dass Porsche bei der Entwicklung der Thermofenster, die nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs höchstwahrscheinlich illegal sind, ganz vorne mit dabei war.
Wir warten in unserem erfahren in Freiburg zunächst einmal die Anhörung beim OLG Stuttgart ab. Es könnte allerdings sein, dass sich die Herren Blume und Müller wegen laufender Straf- und Ermittlungsverfahren auf ein Aussageverweigerungsrecht berufen werden. Für den Fall ‚dass‘, wäre zu überlegen, die Zivilverfahren bis zum Abschluss der Strafverfahren auszusetzen. Eine vier oder fünfprozentige Verzinsung des Anspruchs wäre möglicherweise wirtschaftlich nicht das schlechteste.
[OLG Stuttgart, Beweisbeschluss vom 12.05.2020, Az. 16a U 186/19]
Am Rande: ‚Turbienchen‘ – Ablenkungsmanöver oder echtes Bekenntnis zum Umweltschutz?